Der Fahrradhelm Airbag ist hierzulande noch wenig bekannt, wird aber schon in seiner dritten Generation auf den Markt gebracht. Die Firma Hövding löst damit die Frage nach einer Airbagpflicht für Radfahrer aus.
Fahrradhelm und Airbag: Sicherster Helm der Welt
Auf den ersten Blick scheint es unmöglich zu sein, dass ein Fahrradhelm mit einem Airbag ausgestattet ist. Ist er auch nicht, denn streng genommen handelt es sich nur um eine Art Kragen, die mit dem Airbag der Firma Hövding aus Schweden getragen wird. Er soll helfen, die Zahl von Fahrradunfällen zu reduzieren bzw. deren Folgen abzumildern und somit den gegenüber motorisierten Fahrzeugen schwächeren Verkehrsteilnehmer besser schützen.
Wer sich auf www.fahrradhelm.org informiert, wird über die neuesten Tests und Erkenntnisse rund um den Fahrradhelm informiert. Dieser ist in Deutschland immer noch keine Pflicht, auch wenn bereits seit Jahren darüber gestritten wird, dass es doch sinnvoll sei, eine solche Pflicht einzuführen. Doch viele erwachsene Fahrradfahrer sträuben sich vehement dagegen und sehen das Tragen eines Helms als überflüssig oder nicht schick genug an.
Kinder werden mittlerweile damit groß und so wächst eine Generation von Fahrradfahrern heran, die eine deutlich größere Akzeptanz gegenüber dem Fahrradhelm zeigen. Damit der Kopfschutz aber auch für alle anderen Radfahrer möglich ist, hat die Firma Hövding aus Schweden den Airbag entwickelt. Er wird auf den Schultern getragen und ähnelt hier einem Kragen oder dicken Schal.
Der Airbag der Firma Hövding verfolgt die normalen Bewegungen des Radfahrers über spezielle Sensoren. Kommt es zu einem Unfall, werden die nun unnormalen Bewegungen aufgezeichnet, der Airbag wird ausgelöst. Binnen weniger als 0,1 Sekunde legt sich eine Art riesige Trockenhaube um den Kopf des Airbagträgers. Diese Haube ist mit Helium gefüllt und federt einen Sturz auf den Asphalt zuverlässig ab.
Zur Entwicklung des Airbags untersuchten die Gründer über 2000 Stunden des Radfahrens, dazu wurden über 3000 Unfälle inszeniert. Dafür wiederum mussten Stuntmen herhalten, die die Unfälle möglichst realitätsnah darstellen konnten. Heraus kam dabei ein Airbag mit Sensoren, die die Bewegungen des Radfahrers ungefähr 200 Mal pro Sekunde aufzeichnen. Für den Radler ergibt sich damit ein engmaschiges Netz der Überwachung.
Sieben Jahre sind seit der ersten Entwicklung bereits ins Land gegangen und heute nutzen bereits 185.000 Radfahrer die nur etwa 800 Gramm leichte Halskrause von Hövding. Davon berichteten zahlreiche Nutzer, dass der Airbag ihnen bei einem Unfall sehr geholfen und sie vor schweren Verletzungen bewahrt hätte.
Airbag statt Fahrradhelm: Neues Modell noch bequemer
Viele Radfahrer mögen keinen Fahrradhelm, weil dieser ihnen schlichtweg zu unbequem ist. Im Sommer schwitzen sie darunter, im Winter passt keine Mütze unter den Helm. Außerdem ist die Frisur nach dem Tragen ruiniert! Dass dies auch nach einem Unfall so ist, wird dabei großzügig ausgeblendet. Ständige Überarbeitungen bei allen Produkten lassen diese immer bruchsicherer werden, die Radfahrer interessiert das jedoch nicht wirklich.
Nun kommt der Airbag daher, der sich in entsprechenden Tests als rund achtmal sicherer als ein herkömmlicher Fahrradhelm erweist. Dabei zeigt sich der Airbag mit seiner verbauten Technologie als Informationsdatenbank, denn er liefert über die einzelnen Kanäle auch zusätzliche Informationen, sodass sich beispielsweise Unfallschwerpunkte und Ursachen von Fahrradunfällen daraus ablesen lassen.
Hövding gilt immer noch als einziger Anbieter des Airbags weltweit und wirbt damit, dass mit dem neuen Modell der Kopf nicht nur hervorragend geschützt wird, sondern dass der Airbag auch deutlich bequemer zu tragen ist als sein Vorgänger. Die Größe des Airbags ist nun verstellbar, sodass er sowohl kleineren als auch größeren Radfahrern passt.
Die Passform an Nacken und Hals wurde nochmals optimiert, außerdem ist die Laufzeit des Akkus verlängert worden. Nun hält er für rund 15 Stunden aktiven Fahrens, was auch längere Touren gut geschützt erleben lässt. Das Modell bläst sich bei einem Sturz auf, außerdem wird der Nacken gestützt. Das wiederum bietet einen sehr guten Schutz vor Verletzungen, die dem Schleudertrauma ähnlich sind oder die sogar in Form von Wirbelbrüchen daherkommen.
Fahrradhelm-Airbag interagiert mit dem Smartphone
In Zeiten, in denen das Smartphone immer und überall dabei ist, wird dieses natürlich auch für den Airbag genutzt. Hövding lässt seinen Airbag für Fahrradfahrer mit dem Smartphone kommunizieren, was wiederum praktisch für Fahrer und Entwickler ist. Der Radler bekommt neue und interessante Zusatzfunktionen geboten, die Entwickler sowie Städtebauplaner erhalten wertvolle Hinweise darauf, wie eine Stadt für Radfahrer sicherer werden kann.
Interessante Grundlage: Verschiedene Umfragen haben gezeigt, dass noch weitaus mehr Menschen das Fahrrad nutzen würden, wenn sie weniger Angst vor Unfällen haben müssten und sich sicherer fühlen würden. Hövding wollte dazu etwas beitragen und suchte nach Produkten, die im Radfahreralltag wertvolle Hilfe leisten. Mit dem Airbag dürfte das gelungen sein.
Wichtig: Wie beim Auto ist der Airbag nach einem Unfall nicht mehr zu gebrauchen. Wurde er einmal ausgelöst und hat sich dabei geöffnet, muss ein neuer Airbag her. Dass eine neuer Radfahrer-Airbag dann günstiger ist, dürfte die Kaufentscheidung beeinflussen: Online sind Preise von unter 200 Euro für das Zweitmodell genannt. Bei der Erstanschaffung kostet der Airbag rund 300 Euro. Auch dies ist sicherlich noch ein Grund, warum die Kaufentscheidung oft negativ ausfällt, denn nur die wenigsten Fahrradfahrer sind bereit, so tief in die Tasche zu greifen, nur weil sie ab und zu mit dem Rad unterwegs sein wollen.
Radler, die das Radfahren tatsächlich als Sport betreiben oder die auf anspruchsvolle Touren im Gelände gehen, sehen dies wahrscheinlich ein wenig anders. Zumal diese Radfahrergruppe ohnehin meist auf einen Fahrradhelm setzt und weniger Kompromisse in puncto Sicherheit eingeht als der durchschnittliche Freizeitradler, de lediglich von A nach B gelangen möchte und einen eventuellen Schutz so günstig wie möglich wünscht.
Pflicht zum Fahrradhelm: So wird in anderen Ländern geradelt
An dieser Stelle ist es Zeit für einen kurzen Exkurs in andere Länder, denn auch dort gibt es die ewige Diskussion um die Helmpflicht. So sieht es anderswo aus:
- Österreich
Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren müssen seit 2011 einen Fahrradhelm tragen. Für Erwachsene ist der Schutz nicht vorgeschrieben. - Italien
Die Helmpflicht besteht hier nur für Fahrer und Beifahrer, die mit Mopeds oder Motorrädern unterwegs sind. Selbst für Kinder ist der Schutz nicht vorgeschrieben. - Spanien
Außerhalb geschlossener Ortschaften muss ein Fahrradhelm getragen werden. Eine Ausnahme stellen lange Steigungen und hohe Temperaturen dar, diese erlauben das Abnehmen des Helms. - Finnland
Hier gilt die Helmpflicht. - Malta
Die Helmpflicht gilt für alle Fahrradfahrer. Ist die Sicht schlecht, sind alle verpflichtet, zusätzlich eine Warnweste oder ähnliche reflektierende Elemente zu tragen. - Schweden
In Schweden ist der Helm für Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren Pflicht (auch in Slowenien). - Weitere Länder
In Estland und Kroatien müssen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, in Tschechien und Litauen unter 18 Jahren einen Helm tragen.
Hövding entwickelt den unsichtbaren Helm
Das Gesetz, dass Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren einen Fahrradhelm zu tragen haben, wurde in Schweden im Jahr 2005 verabschiedet. Daraufhin kam es zu einer Debatte, in der es darum ging, ob auch Erwachsene zur Helmpflicht herangezogen werden sollten. Doch egal, ob günstig oder nicht, ob mehr oder weniger geschützt: Erwachsene sträubten sich vehement gegen die Pflicht, einen Helm zu tragen und die Kaufentscheidung fiel in den meisten Fällen negativ aus. Nun begannen Anna Haupt und Terese Alstin damit, selbst einen Helm zu entwickeln. Sie waren zu dieser Zeit Studentinnen für Industriedesign in Lund und wollten eine Antwort auf die Frage finden, ob es einen Helm gäbe, den jeder gern tragen würde.
Der Airbag für Fahrradfahrer wurde zu ihrer Abschlussarbeit, die sich schon bald in den News online und im TV wiederfand. Die beiden Damen gewannen den Venture Cup in 2006 und gründeten in diesem Jahr die Hövding Sverige AB. Seither ist das Unternehmen zum börsennotierten Branchenriesen gewachsen, deckt selbst alle Schritte der Produktion und Entwicklung ab.
Die Airbags werden mittlerweile in über 15 Länder der Welt verkauft und nun kommt das Modell in dritter Generation auf den Markt. Die Vernetzung über Bluetooth sorgt dafür, dass der Airbag bei einem Unfall automatisch einen Alarm an die hinterlegten Telefonnummern senden kann. Familie und Freunde werden damit direkt benachrichtigt, sollte es zu einem Unfall kommen.
Wird der Airbag Pflicht?
Das schwedische Unternehmen sieht den Airbag als Alternative zum Helm und macht damit den Weg frei für neuerliche Diskussionen rund um eine Helmpflicht für Fahrradfahrer. Nun kommt auch noch der Klimaschutz hinzu, der heute endlich im Fokus steht. Klar ist, dass das Fahrradfahren nicht nur für den Radler selbst, sondern auch für die Umwelt gesünder ist. Vor allem in der Stadt, wo kurze Wege das Auto verzichtbar werden lassen, ist Radfahren angesagt. Gleichzeitig ist es hier aber besonders gefährlich und vor allem ältere Menschen sehen die Gefahr von Unfällen als besonders bedrohlich an.
Einen Helm verweigern sie dennoch strikt. Der Airbag von Hövding könnte hier die Lösung aller Probleme sein und einen Kompromiss zwischen der Pflicht zum Tragen eines Helms und der angestrebten Sicherheit darstellen. Der Schutz gilt als besonders effektiv und sorgt dafür, dass die schwersten Verletzungen, die sich bei Radfahrern durch den Aufprall auf dem Asphalt meist am Kopf zeigen, verhindert oder wenigstens abgemildert werden können. Es bleibt abzuwarten, ob auf die Pflicht zum Tragen des Airbags ebenso ablehnend reagiert werden würde wie auf die angestrebte Helmpflicht.
Bislang scheint es unmöglich zu sein, diese durchzusetzen und sie trifft ständig auf erbitterten Widerstand all derer, die ohne eine Helmpflicht aufgewachsen sind. Doch Hövding hat es sich zum Ziel gemacht, das Unmögliche möglich zu machen und so könnte es durchaus sein, dass das Unternehmen mit seinem unsichtbaren Helm einen Weg gefunden hat, Radfahrern zu dem nötigen Schutz zu verhelfen, ohne dass sie auf optische Bedenken zurückgreifen könnten.
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