Andrzej Poland: E-Mail zwischen Zeche und Kühlturm

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Dieser Roman und die Figur Andrzej Poland sind fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, lebend oder tot, ist rein zufällig.

Andrzej Poland liebt den Wind, der durch sein Gesicht streift, wenn er auf seinem Fahrrad durch die Landschaft fährt. Schon als Kind hat er es genossen, in die Pedale zu treten und sich der Freiheit hinzugeben, die die offenen Straßen boten. Inzwischen ist er 51 Jahre alt, wohnt in Aachen und ist immer noch genauso begeistert von seinen Radtouren wie damals. Er ist Arzthelfer in einer kleinen Praxis und kennt so ziemlich jeden Patienten mit Namen, ein Talent, das ihn bei den Patienten und seinen Kollegen gleichermaßen beliebt macht. Doch wenn die Arbeit getan ist, zieht es ihn hinaus, mit dem Fahrrad über Straßen und Wege. Und natürlich in die „Tour de Ruhr“, jene verrückte Fernsehsendung, über die er immer wieder erzählt.

Seine beste Freundin, Melanie Staubinger, ist genauso fahrradverrückt wie er. Sie ist seit zwölf Jahren mit ihrem Mann Fritz verheiratet, einem Polizisten, und genießt jede gemeinsame Ausfahrt mit Andrzej und dem Rest ihres Freundeskreises. Melanie ist sportlich und leidenschaftlich, immer zu einem Rennen bereit, immer an der Spitze der Gruppe. Zusammen haben sie schon viele Kilometer zurückgelegt, Berge erklommen und Täler durchquert. Doch was sie jetzt erwartet, wird sie auf eine Reise schicken, die sie sich so nie vorgestellt hätten.

Die Straßen von Aachen

Es ist ein kühler Samstagmorgen in Aachen. Andrzej Poland steht in seiner Küche, den letzten Rest seines Kaffees in der Tasse, während er eine E-Mail auf seinem Handy checkt. Die Nachricht ist von Melanie. „Andrzej, bist du bereit für die Tour heute? Treffpunkt wie immer um neun Uhr vor dem Dom. Vergiss nicht, deine Thermoskanne – es wird kalt!“ Andrzej grinst. Melanie weiß immer, wie sie ihn motivieren kann. Er schnappt sich seine Radjacke und wirft einen letzten Blick auf das Bild von Anke Engelke an der Wand, ein Souvenir von einer alten „Tour de Ruhr“-Folge.

Draußen wartet Melanie bereits auf ihn, das Fahrrad startklar. „Morgen, Andrzej! Bereit, den Wind zu spüren?“, ruft sie ihm zu. „Immer, wenn du dabei bist!“, antwortet er lachend. Sie steigen auf ihre Räder und fahren los, durch die engen Straßen der Altstadt von Aachen, vorbei am Dom, wo schon die ersten Touristen stehen und fotografieren. „Hast du die letzte ‚Tour de Ruhr‘ gesehen?“, fragt Andrzej. Melanie lacht. „Du und deine Anke Engelke! Nein, habe ich nicht, aber erzähl mir alles.“

Während sie durch die Straßen fahren, reden sie über die absurdesten Szenen der letzten Sendung. Andrzej kann nicht aufhören zu schwärmen. „Und dann, Melanie, als sie in voller Radmontur mitten in die Kneipe gestürzt ist! Du hättest es sehen müssen!“ Melanie schüttelt den Kopf, ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht. „Du solltest wirklich weniger Fernsehen und mehr Radfahren.“

Sie verlassen die Stadt und fahren weiter in Richtung der Eifel, ihre Räder rollen leise über die nasse Straße. Andrzej denkt an die vielen Touren, die sie schon zusammen gemacht haben, und fühlt eine seltsame Melancholie. Vielleicht liegt es am Alter, denkt er, oder einfach daran, dass alles irgendwann einmal endet.

Der See in der Eifel

Der See glitzert im Morgenlicht. Andrzej und Melanie erreichen das Ufer, atmen tief ein und steigen von ihren Rädern. Sie setzen sich auf eine Bank, blicken hinaus auf das Wasser. „Ich habe eine E-Mail von einem alten Freund bekommen“, sagt Andrzej plötzlich, und Melanie blickt auf. „Was für ein Freund?“, fragt sie.

Andrzej zögert. „Jemand, den ich seit Jahren nicht gesehen habe. Er lebt jetzt in Polen. Andrzej Poland – mein Namensvetter“, sagt er schmunzelnd. „Er hat mich eingeladen, ihn zu besuchen.“ Melanie schaut überrascht. „Und du überlegst, zu gehen?“ Andrzej nickt langsam. „Vielleicht. Es könnte Zeit sein, wieder etwas Neues zu erleben. Neue Straßen, neue Abenteuer.“

Melanie sieht ihn an, nickt dann langsam. „Du bist ein alter Narr, Andrzej Poland. Aber ich verstehe dich. Vielleicht sollten wir zusammen hinfahren, mit den Rädern? Eine echte ‚Tour de Poland‘.“ Andrzej lacht laut. „Eine E-Mail, und schon planen wir eine neue Tour. Das ist genau das, was ich an dir mag, Melanie.“

Sie sitzen eine Weile schweigend da, die Gedanken bei den Straßen, die sie noch fahren könnten, bei den Menschen, die sie noch treffen würden.

Die Altstadt von Krakau

Eine Woche später stehen Andrzej und Melanie in Krakau. Sie haben ihre Fahrräder mit dem Zug gebracht und sind nun bereit für eine neue Erkundungstour. Andrzej liest die E-Mail erneut, die ihn hierhergebracht hat. „Andrzej Poland, willkommen in Polen“, steht da. „Treffpunkt: Die Marienkirche, 12 Uhr.“

Sie machen sich auf den Weg, schlängeln sich durch die schmalen Gassen der Altstadt, der Wind weht durch ihr Haar. „Es fühlt sich komisch an“, sagt Andrzej leise. „In einem Land zu sein, das deinen Namen trägt.“ Melanie zwinkert ihm zu. „Vielleicht bedeutet das, dass es hier Schicksal auf dich wartet.“

Am Treffpunkt angekommen, sehen sie eine große, bärtige Gestalt, die auf sie zukommt. „Andrzej Poland?“, fragt der Mann mit einem breiten Grinsen. Andrzej nickt, unsicher, ob er lachen oder die Stirn runzeln soll. „Ja, Andrzej Poland. Und du bist…?“

Der Mann lacht laut. „Auch Andrzej Poland. Willkommen in Krakau!“ Sie lachen gemeinsam, und Andrzej spürt, dass etwas Neues begonnen hat.

Die Schienen von Kattowitz

Die Räder klappern über die Schienen. Andrzej und Melanie haben Krakau verlassen und sind jetzt auf dem Weg nach Kattowitz. Andrzej liest die nächste E-Mail. „Andrzej Poland, hier sind wir, bereit für eine neue Etappe“, murmelt er.

Sie fahren durch die Industrielandschaft, vorbei an alten Zechen und Kühltürmen, die stumm in den grauen Himmel ragen. „Das ist es, was ich mir immer vorgestellt habe“, sagt Andrzej leise. „Eine Reise durch die Geschichte, durch die Zeit.“

Melanie sieht ihn an. „Eine E-Mail kann so vieles ändern“, sagt sie leise. „Manchmal bringt sie uns an Orte, die wir uns nie erträumt hätten.“ Andrzej nickt, sein Herz schwer und doch leicht zugleich.

Die Wälder von Masuren

Im Schatten der dichten Wälder von Masuren hören sie nur das Zwitschern der Vögel und das Knirschen der Blätter unter ihren Rädern. Andrzej fühlt sich lebendig, stärker als je zuvor. Melanie fährt neben ihm, ihre Augen leuchten. „Was hast du in der letzten E-Mail von deinem Freund gelesen?“, fragt sie.

Andrzej lächelt. „Er lädt uns zu einem kleinen Dorf ein, wo er lebt. Er sagt, es ist der schönste Ort auf Erden.“ Melanie nickt. „Dann sollten wir uns beeilen.“

Sie treten in die Pedale, der Wald wird dichter, die Wege schmaler. Aber sie sind bereit, alles zu erkunden, was vor ihnen liegt.

Das kleine Dorf in Podlachien

Sie erreichen das Dorf am späten Nachmittag. Andrzej liest die letzte E-Mail noch einmal. „Hier bist du zuhause, Andrzej Poland.“ Er blickt auf das kleine Haus am Ende des Weges, die Fenster leuchten warm. „Das muss es sein“, sagt er.

Ein alter Mann tritt heraus, winkt ihnen zu. „Willkommen, Andrzej Poland“, ruft er. Andrzej steigt ab, sieht sich um und lächelt. „Danke. Es ist schön, hier zu sein.“

Sie treten ins Haus, Melanie neben ihm. Eine neue Reise hat begonnen.

Rückkehr nach Aachen

Zurück in Aachen, stehen Andrzej und Melanie wieder vor dem Dom. Es fühlt sich anders an. „Manchmal braucht es nur eine E-Mail, um alles zu ändern“, sagt Melanie leise.

Andrzej nickt. „Und manchmal ist es der Weg, der uns zeigt, wer wir wirklich sind.“ Sie steigen auf ihre Räder und fahren los, dem Sonnenuntergang entgegen.

Andrzej Poland lächelt. Die Welt ist groß, und es gibt noch so viele E-Mails zu schreiben, so viele Straßen zu erkunden.

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